St. Johannesverein Großwelzheim e.V.

Krankenpflege, Nähschule und Kindergartenbetrieb

Eine Vereinschronik zum Jubiläumsjahr 100 Jahre soziale Dienste in Kahl und Karlstein

Im Zusammenhang mit dem Jubiläum 100 Jahre Dienste in Kahl und Karlstein im Jahre 2012 wurde auch vom St. Johannesverein Großwelzheim e.V. als Beitrag für die Festschrift eine neue Vereinschronik zusammengestellt. Aus vereinsinternen Büchern und Unterlagen, sowie anderer Chronikdokumenten hat Vorstandsmitglied Peter Kobert eine Aktualisierung der Vereinsgeschichte erarbeitet. Nachstehend wird dieser Beitrag abgedruckt.

 

Als Quellen dienten:

Edmund Rücker: Großwelzheim 1200 Jahre - 772 - 1972

Richard Fuchs: Schwesternstation Großwelzheim bereits Geschichte, Karlsteiner Mitteilungsblatt 1993

Presseartikel aus: Beobachter am Main

Vereinsarchiv St. Johannesverein Großwelzheim e.V.

Vereinsgründung 1918

Bereits im Jahre 1918 – kurz nach Ende des 1. Weltkrieges – wurde in Großwelzheim mit der Gründung des St. Johannes-Zweigverein (so der damalige Name) der Grundstock für die spätere Krankenpflege durch die Schwestern der Dienerinnen der Hl. Kindheit Jesu – vom Dritten Orden des hl. Franziskus, Kloster Oberzell, Zell am Main – gelegt. Genau war es der 23. Juni 1918, als unter Leitung von Kuratus Alois Grünewald, dem damaligen Bürgermeister Peter Vock und dem Dentisten Ferdinand Werner, der Verein aus der Taufe gehoben wurde. Die Gründung folgte mit dem Ziel, später einen Kindergarten und eine Handarbeitsschule im Ort einzurichten.

Krankenpflege beginnt 1928

Erst rund 10 Jahre später folgte ein weiterer wichtiger Schritt in Sachen Krankenpflege durch den Verein. In einem Zeitungsbericht vom 06. Juli 1928 ist folgende örtliche Nachricht im „Beaobachter am Main“ zu lesen:

„Großwelzheim, 05. Juli - Durch den jetzt fertig gestellten Schulhausneubau wurden 2 Schulsäle frei. Diese wurden, ebenso wie zwei abgetretene Zimmer, zu Wohnungen eingerichtet, die nun von Krankenschwestern aus dem Zeller Kloster bezogen werden.

Ein Johannis-Zweigverein wurde bereits gebildet und Sammlungen für die Einrichtungs-Gegenstände usw. für die Schwesternwohnung vorgenommen.“

Die Eröffnung der Schwesternstation erfolgte im alten Schulhaus im oberen Stock in der Hauptstraße 31. Die Räumlichkeiten wurden unentgeltlich von der politischen Gemeinde zur Verfügung gestellt. Der Vertrag mit dem Mutterhaus der Dienerinnen der hl. Kindheit Jesu in Oberzell wurde am 27. Juli 1928 geschlossen. Feierlich eingeführt wurden die Schwestern bereits am Sonntag, 22. Juli 1928 durch den damaligen Domprobst Dr. Stahler aus Würzburg. Die ersten Schwestern waren: Oberin Sr. Angelina für die Krankenpflege und Sr. Philomena für die Handarbeitsschule. Im Herbst 1928 konnte der damalige Seelsorger, Pfr. Schneider sogar eine weitere Krankenschwester, nämlich Sr. Heribolda, im Ort willkommen heißen, so dass die seinerzeit etwa 1600 Einwohner zählende Gemeinde Großwelzheim bereits eine ausgezeichnete ambulante Krankenversorgung besaß.

 

Kleinkinderschule eröffnet 1934

Nach weiteren 4 Jahren folgte ein weiterer wichtiger Schritt für den Verein, die Errichtung einer „Kinderschule oder Kinderbewahranstalt“ wie es damals hieß. Auch hierzu die lokale Zeitungsnachricht (Beobachter am Main) aus dem Jahre 1934:

„Großwelzheim, 15. Jan. - Eröffnung der Kleinkinderschule

Ein lange Jahre gehegter Wunsch der gesamten Einwohnerschaft von Großwelzheim konnte endlich seine Erfüllung finden. Wir haben nun auch eine Kleinkinderschule samt Einrichtung für 100 Kinder. In dem früheren Schulgebäude, das die Gemeinde in dankenswerten Weise dem Johanniszweigverein für seine Zwecke zur Verfügung stellt, ist nun im ersten Stock Schwesterwohnung, im Parterre Sprechzimmer der Krankenschwester, weibliche Handarbeitsschule für 30 bis 40 Mädchen und jetzt durch Umbau der früheren Lehrerwohnung ein schöner freundlicher Kindersaal mit eigenem Eingang. Den Umbau finanzierte der Johanniszweigverein, für die Einrichtung, die aus niedlichen Tischchen mit Bänkchen und Lehnstühlchen besteht, bewilligte der Gemeinderat einen Zuschuss von 200 Mark. Bei der Einweihung am Sonntag, 14. Jan., waren zahlreiche Mütter mit ihren Kleinkindern erschienen. Der Ortspfarrer begrüßte sie alle, sowie Herrn Bürgermeister Vock und Herrn Schulleiter Adler. Nach einer Ansprache über Geschichte und Zweck der Einrichtung nahm er die Weihe des Saales vor. Herr Bürgermeister schilderte in längerer Rede, wie sowohl der frühere wie der jetzige Gemeinderat die Errichtung einer Krankenschwesternstation mit Arbeits- und Kleinkinderschule erstrebte und mit allen möglichen Mitteln förderte und unterstützte. Erst seit dem Neubau der Schule 1927 konnte die alte Schule für diesen Zweck freigegeben werden zum Wohl der gesamten Gemeinde. Herr Hauptlehrer Adler begrüßte die Kleinkinderschule auch im Interesse der Schule. Es brauche keinen Drill in der den Vorschuljahren, aber Zucht und Ordnung, dann tue sich die Schule leichter. Die Feier war umrahmt von Liedern, Gedichten und Reigen.“

 

Nutzung des Gebäudes

Zu der Nutzung des Anwesens „altes Schulhaus“ in der Hauptstraße 31 ist zu ergänzen, dass das Obergeschoss seit dem Kommen der Schwestern als deren Wohnung zur Verfügung stand. Im Erdgeschoss stand ein großer Raum der „Kinderschule“ zur Verfügung, des weiteren befand sich im EG ein Handarbeitsraum mit 3 oder 4 Nähmaschinen und ein Behandlungszimmer für Kranke oder Verletzte.

In diesen nach heutigen Begriffen sehr bescheidenen und unzulänglichen Rahmen des Hauses in der Hauptstraße 31 lebten und wirkten die Schwestern bis zum Jahre 1962.

So bescheiden und einfach die räumlichen Verhältnisse in diesem Haus waren, um so größer und aktiver war das Leben und die Impulse, die von den Bewohnern dieses Hauses ausgingen. Besonders vor dem 2. Weltkrieg herrschte dort ein reges Leben. Bei der Großwelzheimer Weiblichkeit war dieses Haus als Treffpunkt sehr beliebt. Nicht nur, dass man dort von Montag bis Freitag von 13 bis 17 Uhr und in den Wintermonaten von zusätzlich noch von 19 bis 21 Uhr Gelegenheit hatte, sich unter der fachkundigen Anleitung der Handarbeitsschwester gute Kenntnisse im Nähen, Stricken, Häkeln usw. anzueignen und zu vertiefen, es war auch der Ort der munteren Gespräche und des Erfahrungsaustausches. Jedes Jahr wurden dort Theaterstücke einstudiert, die in der Weihnachtszeit zur Aufführung kamen. Nicht zuletzt trug die Verwertungskunst der Schwestern in der Kriegs- und Nachtkriegszeit, in der es so gut wie nichts an Textilien gab, sehr dazu bei, immer wieder aus Altem Neues zu machen und auf diese Weise über die Runden zu kommen.

Man kann in der Rückschau unschwer erkennen, in welch hohem Maße die Oberzeller Schwestern in unsere Gemeinde hineingewirkt und wie sehr sie zur Verbesserung der Lebensqualität hier beigetragen haben. Hervorzuheben ist dabei besonders die Krankenbetreuung im Ort, da sich in Großwelzheim erst Anfang der sechziger Jahren ein Arzt niederließ. Ein gewiss nicht einfacher Dienst der Krankenschwestern, ja auch die eigene Seele belastende Begleitung der Schwerkranken, die häufigen Nachtwachen usw. Andere Schwerpunkte waren die Förderung der körperlichen und geistigen Anlagen unserer Kinder im Vorschulalter, die Ausbildung der jungen Mädchen in den handarbeitlichen Fertigkeiten, die liturgische Mitgestaltung der Gottesdienste, das Ausschmücken von Altar- und Kirchenraum sowie die Sakristeidienste.

 

Unterhalt der Schwesternstation

Der Unterhalt für das Gebäude und der Schwesternstation im Hause Hauptstraße 31 war wie folgt geregelt.

Der St. Johanniszweigverein verpflichtete sich vertraglich, für freie Wohnung der Schwestern und deren Lebensunterhalt sowie für kostenlose Beleuchtung und Beheizung des Hauses zu sorgen. Für eine Schwester waren monatlich 20 Mark aufzubringen, wovon 10 Mark an das Mutterhaus abzuführen waren. Der Verein zählte bei seiner Gründung 287 Mitglieder; jedes Mitglied gab monatlich 50 Pfennige. Vorsitzender des Vereins ist der jeweilige Ortspfarrer. Die Gemeinde stellte jährlich 2 Ster Holz zur Verfügung und im Herbst wurden für das Schwesternhaus die Wintervorräte im Dorf gesammelt. Die Ortsbewohner gaben gerne, denn es ist ja für unsere Schwestern, sagte man, die in reiner Nächstenliebe und steter Opferbereitschaft unseren Kindern, unseren Kranken und Alten im Dorf helfen und dienen.

 

Zahlen und Daten aus dem Jahr 1950

In alten Unterlagen des Vereins sind folgende Zahlen und Daten aus dem Jahre 1950 bekannt:

•Eine Schwester und eine Helferin betreuten im Kindergarten 115 bis 120 Kinder.

•In die Handarbeitsschule gingen 43 Frauen und 34 Mädchen.

•Die Krankenschwester versorgte 560 Kranke, mit insgesamt 4.338 Krankenbesuchen im Jahr, hielt 49 mal Nachtwachen und verabreichte 825 Spritzen (einen Arzt im Ort gab es damals noch nicht).

 

Neubau der Schwesternstation mit Kindergarten - 1962, 1966

Schwesternhaus Rohbau Ecke See/Berliner Straße
Schwesternhaus Rohbau Ecke See/Berliner Straße

Im Frühjahr 1962 erfolgte der erste Spatenstich zum Bau eines neuen Schwesternhaues. Am 16. Dez. 1962 konnten die Schwestern in ihr neues Heim in der Seestraße (Ecke Berliner Straße) „hinter dem Dorf“ einziehen. Das zweigeschossige Schwesternhaus enthält neben den Wohnräumen für die Schwestern einen Handarbeitssaal und einen Raum für ambulante Krankenbehandlung.

Der Neubau des Kindergartens für 3 Gruppen mit den notwendigen Nebenräumen in der Berliner Straße erfolgte im folgenden Jahr und war mit einem überdachten Zwischenbau mit dem Schwesternhaus verbunden. Die gesamte Anlage erhielt am 02. Juli 1966 durch Pfarrer Johannes Zimmerman ihre kirchliche Weihe.

Während die Gemeinde als Bauträger für alle laufenden Unterhaltungs- und Betriebskosten aufkommt, hat der St. Johanneszweigverein, wie bisher, die Betreuung und den Unterhalt der Schwesternstation und des Kindergartens übernommen. Nach der Fertigstellung wurden dort von einer Ordensschwester und einer Kindergärtnerin über 100 Kinder betreut.